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ein Bericht von Gerd-Thomas. Fotos von Dr. Sebastian Striewski und Gerd-Thomas.
<figure><figcaption>Tropisches Korallenriff am „Blue Hole“ in Ägypten. Foto: Dr. Sebastian Striewski</figcaption></figure>
Die kalte Jahreszeit ist für die meisten TSC-Mitglieder eine taucharme Zeit. Um aber auch in den Wintermonaten attraktive Vereinsveranstaltungen anbieten zu können, lud der TSC den renommierten Bochumer Meeresbiologen und Expeditionsleiter Dr. Sebastian Striewski zu einem Vortrag über „Korallenriffe und deren Gefährdung“ am Sonntag, dem 10. Januar 2016, ins Vereinslokal „Haus Sondermann“ ein. Etwa 25 TSC’ler waren gekommen, um den inkl. Diskussionsrunde knapp zweistündigen, höchst interessanten Vortrag zu hören.
Dabei ging es weniger um die – Tauchern weithin bekannte - Gefährdung der Riffe durch „Übertauchen“, verantwortungsloses Ankern von Tauchbooten, die Großschifffahrt, Schiffshavarien oder Ölunglücke, sondern um die Gefährdung, die vom globalen Klimawandel verursacht wird und die den meisten nicht so bewusst ist – oder war.
Lebensraum Korallenriff
Korallenriffe stellen den artenreichsten Lebensraum unseres Planeten dar, und wir Taucher zählen zu dem exklusiven Kreis der Menschheit, die diesen direkt, unmittelbar, „live und in Farbe“ erleben können. Uns ist es daher ein besonderes Anliegen, diesen Lebensraum zu schützen und auch für nachfolgende Generationen zu erhalten. Doch man kann nur wertschätzen und schützen, was man – auch in Zusammenhängen - kennt. Dazu diente u.a. dieser Vortrag.
<figure><figcaption>Dr. Sebastian Striewski beim Vortrag für den TSC. Foto: Gerd-Thomas Hegemann</figcaption></figure><figure><figcaption>Die nachdenklichen und interessierten Zuhörer des Vortrages. Foto: Gerd-Thomas Hegemann</figcaption></figure>
Seltenes Video: Korallensex
In einem eindrucksvollen Video zeigte Dr. Striewski die sehr selten zu beobachtende und noch viel seltener zu filmende Vermehrung der Steinkorallen: Nur einmal im Jahr, unter ganz bestimmten Bedingungen und abhängig von Mondphasen vermehren sich die meisten Steinkorallen durch externe Befruchtung. Dabei geben die Korallenpolypen explosionsartig gleichzeitig Spermien und Eizellen ins Wasser ab. Die Befruchtung findet im freien Wasser statt, und es bilden sich Larven, die im freien Wasser treiben (zahlreiche davon werden währenddessen von anderen Lebewesen gefressen) und sich im Überlebensfall an geeigneten Standorten ansiedeln und zu neuen Steinkorallen heranwachsen.
Genau dieser Fortpflanzungsprozess und somit auch das Wachstum der riffbildenden Steinkorallen werden jedoch durch die Versauerung der Meere gestört. Die Details wurden im Vortrag dargestellt, führen aber an dieser Stelle zu weit.
Wie gelangt das CO2 in die Meere?
Jeder weiß aus der öffentlichen Diskussion in den Medien, dass der in den letzten 100 bis 150 Jahren durch die Industrialisierung exorbitant gestiegene, anthropogene Ausstoß von Kohlendioxid für die globale Erwärmung der Atmosphäre hauptverantwortlich ist. Wenn also mehr CO2 in die Atmosphäre gelangt, steigt natürlich deren CO2-Partialdruck. Da die Atmosphäre auf den Ozeanen „lastet“, löst sich mehr CO2 im Wasser, und es steigt somit die Sättigung des Ozeanwassers mit Kohlendioxid. (Wir erinnern uns an das Gesetz von Henry, welches zumindest die fortgeschrittenen Taucher in ihrer Theorieausbildung kennengelernt haben). Der pH-Wert des Meerwassers verschiebt sich also in Richtung der Säuren.
Und da sich bekanntlich Säuren und Kalk, aus dem die Steinkorallen bestehen, nicht sonderlich gut vertragen, wirkt sich das „saure“ Meerwasser negativ auf die riffbildenden Korallen und somit langfristig auch auf die Attraktivität unserer Tauchziele aus – insbesondere deshalb, weil die Dreidimensionalität der Korallenriffe auch den Lebensraum für unzählige weitere Arten wie z.B. Fische, Weichtiere und Schalentiere bildet. Somit führt die Ozeanversauerung über die Gefährdung der Steinkorallen unweigerlich auch zu einem Rückgang der Artenvielfalt in den Riffen!
Was kann man tun?
Hier stellte sich in der anschließenden Diskussionsrunde mit Dr. Striewski heraus, dass zunächst zwei Handlungskomplexe zu unterscheiden sind:
1. Staatliche bzw. globale Maßnahmen
2. Individuelle Maßnahmen
Machen wir uns nichts vor: auf staatliche bzw. globale Maßnahmen haben wir als Individuen nur einen geringen direkten Einfluss. Realistischerweise bleibt uns in dem Bereich nur die Hoffnung, dass die Ziele der Weltklimakonferenz in Paris im November 2015 auch politisch umgesetzt werden.
Der mit dem hoch komplexen Thema des Klimawandels einhergehenden Ratlosigkeit und vielleicht auch dem Gefühl der Machtlosigkeit steht doch eine aufmunternde Erkenntnis gegenüber: genau wie Klimawandel durch Abermillionen von Entscheidungen einzelner Individuen beeinflusst ist, so ist auch der Schutz unseres Planeten am wirksamsten, wenn er auch auf Abermillionen von Entscheidungen einzelner Individuen basiert. Dieses konnte in der Vergangenheit beispielsweise eindrucksvoll erlebt werden bei dem Wechsel von FCKW-haltigen Kühlschränken hin zu FCKW-freien Produkten, welcher nachweislich zu einer Erholung der Ozonschichten unseres Planeten geführt hat. Und so wird auch die Eindämmung des Klimawandels durch kleine Entscheidungen im Alltag von Individuen vorangetrieben werden.
Somit kann jeder Einzelne, ob Taucher oder nicht, im Kleinen seinen Beitrag zur Verringerung des CO2-Ausstoßes tun und seine Verantwortung für sich selbst ganz persönlich übernehmen. Die Liste dieser Möglichkeiten ist lang und sehr individuell; einige bei der Diskussion aufgetauchten waren z.B.:
- Überlegen wir kritisch und im Einzelfall, ob die Fahrt mit dem eigenen Auto tatsächlich notwendig ist oder ob sie sich vielleicht durch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder eine Fahrgemeinschaft (auch zum Tauchplatz) ersetzen lässt.
- Wenn wir im Urlaub nur Ruhe und Erholung suchen, finden wir diese vielleicht auch im Sauerland statt in der Dominikanischen Republik.
- Verringern wir unseren Fleischkonsum, denn die Fleischproduktion setzt viel CO2 frei. Und wenn es Fleisch sein soll, muss es ja vielleicht nicht aus Neuseeland stammen, sondern kann auch beim lokal produzierenden Bauern gekauft werden.
Dr. Striewski betonte abschließend, dass jede Vermeidung von Kohlendioxid nicht nur dem Planten als Ganzes, sondern auch den Korallenriffen hilft – und das muss ja im Interesse eines jeden Tauchers sein. Nach dem Vortrag fuhren einige Zuhörer dann auch nachdenklich mit dem eigenen PKW nach Hause…
Der TSC dankt vor allem Dr. Sebastian Striewski für diesen informativen, interessanten, unterhaltsamen und nachdenklich stimmenden Vortrag, aber auch Katja Lippe und ihrem Team vom Haus Sondermann für die kostenlose Bereitstellung des Vortragsraumes und die hervorragende, zuvorkommende und Rücksicht nehmende Bewirtung sowie Markus Kappelhoff für die technische Unterstützung.
Dr. Sebastian Striewski ist neben seiner Vortragstätigkeit Gastdozent für Biologie an der Ruhr-Universität Bochum und leitet freiberuflich Exkursionen und Expeditionen für Studenten, Fotografen und Naturliebhaber. Vielleicht möchten sich ja mal ein paar TSC-Mitglieder für eine seiner Reisen zusammenfinden?
Weitere Informationen: www.forschungsreisen.org
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